Neue Sterne, was nun?
Eine kleine Geschichte der „Entdeckung“ zweier Veränderlicher Sterne.
Eigentlich fing dieser Abend des 06.August 2008 ja ganz ruhig an. Ich hatte mir, wie immer, einen Plan fertig gemacht, welche Objekte ich in dieser Nacht fotografieren wollte. Vor allem planetarische Nebel waren mein Ziel. Die relative Stadtnähe zwingt mich, meine Beobachtungen besonders zwischen NNW und NNO möglichst nahe dem Zenit zu machen und so waren NGC7008, NGC7048, NGC7193 und der Reflexionsnebel NGC7023 an der Reihe. Doch dies war eine der selten klaren und Mondlosen Nächte. Also beschloss ich gegen 1Uhr noch den markanten Bubble-Nebel NGC7635 aufs Korn zu nehmen. Als ich die ersten 20minütige Aufnahme im Kasten und debayert hatte, verglich ich die Aufnahme mit einem etwa 1 Jahr alten Bild, das ich noch mit einer modifizierten Canon 300d gemacht hatte. Etwas war anders. Da sind doch tatsächlich zwei neue, helle Sterne! Das müssen Asteroiden sein, aber gleich Zwei? Und so hell? Also machte ich noch 4 Aufnahmen mit je 1200s.
Bild 1: NGC7635, Aufnahme vom 08.08.2006 mit Selbstbau-Newton 12“f5 gekühlter ALCCD6 5x20min, CLS-Filter |
Bild2: NGC7635, Aufnahme vom 21.08.2007 mit modifizierter Canon 300d 1x30min, wahrscheinlich UHC-Filter |
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Die weiteren Aufnahmen bestätigten Position und Helligkeit der neuen Punkte. Sind da tatsächlich neue Sterne? An eine Supernova glaubte ich nicht, denn hier ist keine Galaxie in der Nähe. Bilder, die ich im Internet fand, brachten auch nicht den Durchbruch. Am 10.08. konnte ich die Stelle dann noch ein mal mit der modifizierten Canon 300d(ausgebauter Originalfilter) ablichten und vergleichen: | |||
Bild 3: 06.08.2008 ALCCD6 Sterne sind klar zu erkennen |
Bild 4: 21.08.2007 Canon 300d Sterne sind nicht zu erkennen |
Bild 5: 10.08.2008 Vergleichsbild mit Canon 300d kein Filter |
Bild 6: 10.08.2008 Vergleichsbild mit Canon 300d UHC-Filter |
Erstaunlicherweise tauchte nun der linke obere Stern auf, er musste also seine Helligkeit gesteigert haben. Ein Veränderlicher? Ich befragte meine Freunde und über verschlungene Umwege kam es zu einer Anfrage im BAV. Ab nun war alles plötzlich kein Problem mehr. Ich bekam eine Menge fundierter Antworten auf meine Fragen und schnell waren auch die zwei Sterne gefunden. Einen der vielen Wege, wie man schnell einen Veränderlichen Stern identifizieren kann möchte ich hier kurz an unserem Beispiel in NGC7635 auf aufzeigen:
Im Allgemeinen sind die ungefähren Koordinaten der gesuchten Objekte bekannt. Hat man diese jedoch nicht zur Hand, kann man sich mit einer Planetarium-Software wie Guide8 o.ä. behelfen, oder im Internet einen Online-Katalog wie SIMBAD befragen: http://simbad.u-strasbg.fr/simbad/ Die ermittelten Koordinaten sowie einen Such-Radius (wir nehmen mal 500') können dann im „General Catalogue of Variable Stars“ eingegeben werden, 23:20:45 +61:12:42 – statt Doppelpunkt bitte Leerzeichen, die Koordinaten für Equinox J2000. http://www.sai.msu.su/groups/cluster/gcvs/cgi-bin/search.htm Nun haben wir eine Tabelle mit den Daten von 3 veränderlichen Sternen im fraglichen Gebiet zu Auswahl: NSV 14513, MO Cas sowie MP Cas. Zum Visualisieren verwenden wir den ESO Online Digitized Sky Survey unter Angabe des Stern-Namen und des gewünschten Kartenunmfanges. http://arch-http.hq.eso.org/dss/dss NSV14513 ist der hellste in Bild1 und 2, aber hier nicht von Interesse. Dann sind da noch MP Cas und MO Cas und... Bingo! |
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Bild 7: MP Cas vom DSS-2 Katalog Im IR- und im Rot Spektrum |
Bild 7: MO Cas vom DSS-2 Katalog Im IR- und im Rot Spektrum |
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Wir haben nun die fraglichen Sterne identifiziert. Bleibt noch die Frage: Wie kommt der riesige Unterschied in der Helligkeit der beiden Sterne zwischen den Bildern 1 bis 6 zu Stande? Ein Hinweis findet sich in den Bildern 7 und 8. Der Unterschied zwischen den IR- und Rot-Aufnahmen ist schon beachtlich. Nun kommen die unterschiedlichen Aufnahme-Kameras ins Spiel. Die etwa 40° unter Umgebungstemperatur gekühlte ALCCD6 ist durch die tiefen Temperaturen natürlich viel empfindlicher im IR-Bereich als die für diese Zwecke nicht konstruierte Canon. Die Empfindlichkeitskurve der ALCCD ist über das ganze Spektrum viel gleichmäßiger verteilt. Dennoch tauchte bei den Kontrollaufnahmen Bild 5 und 6 plötzlich MO Cas mit auf. Dies ist nun wiederum in der Helligkeitsschwankung des Sterns begründet. Am Endes spielen natürlich auch noch atmosphärische Faktoren wie Luftfeuchtigkeit (Anfälligkeit für Lichtsmog) und die Höhe über dem Horizont eine Rolle. Dies kann dann leicht (wie in meinem Falle) zu Verwirrungen führen, wenn die Phänomene aber bekannt sind, sollte eine Klärung innerhalb einer Stunde möglich sein.
Mit diesem Beitrag möchte ich mich bei den Mitgliedern des BAV, den Freunden vom Spacepass und allen anderen, die mich so freundlich bei der Auflösung des Rätsels unterstützt haben, herzlich bedanken und hoffe, damit auch anderen zu helfen, die plötzlich vor der Frage stehen: was habe ich hier bloß fotografiert. Vielleicht ist es ja auch mal eine Nova oder gar Supernova. Dann ist in jedem Falle Eile geboten, denn so ein Ereignis ist immer nur von kurzer Dauer. 17.08.2008, Henri Schulz PDF-Version |